Rechtsextremismus richtet sich immer gegen eine zentrale Forderung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dass nämlich alle Menschen die gleichen Rechte haben.
Allgemeine Menschenrechte
«Internationale Menschenrechte sind die durch das internationale Recht garantierten Rechtsansprüche von Personen gegen den Staat oder staatsähnliche Gebilde, die dem Schutz grundlegender Aspekte der menschlichen Person und ihrer Würde in Friedenszeiten und im Krieg dienen.»
Quelle: (Walter Kälin, Lars Müller, Judith Wyttenbach (Hrsg.). Das Bild der Menschenrechte. Baden, 2004, S. 17)
Rechtsextremismus richtet sich immer gegen eine zentrale Forderung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dass nämlich alle Menschen die gleichen Rechte haben. Jedes Individuum ist Träger*in der Menschenrechte.
Menschenrechte gelten für alle Menschen gleichermassen. Dies kommt im Diskriminierungsverbot zum Ausdruck. Es besagt, dass jeder Mensch ungeachtet seines Geschlechts und seiner Gruppenzugehörigkeiten ein Recht auf die Menschenrechte und auf faire rechtliche Verfahren hat.
Der Mensch ist ein verletzliches psychophysisches Ganzes. Er hat ein Recht auf Schutz vor körperlichen und psychischen Verletzungen seiner Integrität und Privatsphäre.
Frei sein bedeutet das Recht, das eigene Leben nach eigenem Gutdünken zu führen und das zu glauben und zu äussern, was einem als richtig erscheint. Die persönliche Freiheit wird durch die gleichen Rechte anderer Personen begrenzt.
Der Mensch ist kein vereinzeltes, isoliertes Individuum, sondern ein soziales, politisches und kulturelles Wesen. Daher hat jeder Mensch das Recht, gemeinsam mit anderen Menschen Lebensgemeinschaften, wie zum Beispiel eine Familie, zu gründen oder sich in Vereinen und Parteien zu organisieren sowie das kulturelle und politische Leben der Gesellschaft mitzugestalten.
Der Mensch ist ein Wesen mit existenziellen Grundbedürfnissen nach Nahrung, Obdach, Gesundheit, Bildung, sozialer Sicherheit etc. Daraus leitet sich das Recht jedes Menschen ab, dass seine Grundbedürfnisse erfüllt werden.
Diese Wertsetzungen werden im Menschenbild der Menschenrechte besonders hervorgehoben. In ihrer Gesamtheit können diese Ansprüche als "menschliche Würde" bezeichnet werden. So gesehen ist es der Zweck der Menschenrechte, die menschliche Würde zu schützen.
Der Geltungsanspruch der Menschenrechte ist universal. Das heisst, es besteht ein Anspruch, dass die Menschenrechte für alle Menschen gelten, und zwar in einem doppelten Sinne:
Erstens gilt jeder einzelne Mensch als Träger derselben Menschenrechte; zweitens soll jeder Mensch die moralische und rechtliche Geltung der Menschenrechte anerkennen. Aufgrund unterschiedlicher kultureller Wertvorstellungen und Gesellschaftsformen werden Menschenrechte jedoch nicht von allen Menschen gleich aufgefasst und in gleicher Weise anerkannt. Dies führt immer wieder zu weitschweifenden Diskussionen über die Universalität der Menschenrechte.
Artikel 1 – Freiheit, Gleichheit, Solidarität
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“
Artikel 2 – Verbot der Diskriminierung
„Jeder Mensch hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeine Unterscheidung, wie etwa nach Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer und sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, nach Eigentum, Geburt oder sonstigen Umständen. Weiter darf keine Unterscheidung gemacht werden auf Grund der politischen, rechtlichen oder internationalen Stellung des Landes oder Gebietes, dem eine Person angehört, ohne Rücksicht darauf, ob es unabhängig ist, unter Treuhandschaft steht, keine Selbstregierung besitzt oder irgendeiner anderen Beschränkung seiner Souveränität unterworfen ist.“
Quelle: UNO
Schweizer Rechtsgrundlage
In der Schweizer Verfassung und den Bundesgesetzen gibt es keine Normen, die explizit auf Rechtsextremismus abzielen. Es gibt aber eine Reihe von Normen, die einzelne Aspekte des Phänomens Rechtsextremismus behandeln und der Polizei und Gerichten die Möglichkeit geben, einige rechtsextreme Aktivitäten zu sanktionieren.
Auch hat die Schweiz 1974 die europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ratifiziert, welche in Artikel 14 ebenfalls Diskriminierung aufgrund von „Geschlecht, Hautfarbe, Religion, politischen oder sonstigen Anschauungen, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status“ verbietet. Verstösse gegen die EMRK können vor den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg gebracht werden, nachdem der Rechtsweg in der Schweiz ausgeschöpft wurde. Diese Entscheide sind für die Schweiz verbindlich.
Diskriminierungsverbot
Artikel 8 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft hält fest, dass niemand aufgrund seiner Herkunft, Rasse oder Religionszugehörigkeit diskriminiert werden darf:
1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
2 Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.
Rassendiskriminierung
Artikel 261bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches («Rassismus-Strafnorm») verbietet die öffentliche Diskriminierung und Herabsetzung von Personen oder Gruppen von Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse, Ethnie oder Religion oder wegen ihrer sexuellen Orientierung. Er stellt auch das Leugnen oder Verharmlosen von Völkermord unter Strafe. (Ein entsprechender Artikel findet sich auch im Militärstrafgesetz.):
Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung zu Hass oder zu Diskriminierung aufruft,
wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung dieser Personen oder Personengruppen gerichtet sind,
wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt,
wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht,
wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung verweigert,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Die Rassismus-Strafnorm ist seit dem 1. Januar 1995 in Kraft. Das Kriterium „sexuelle Orientierung“ enthält sie seit dem 1. Juli 2020.
Quelle: Strafgesetzbuch (StGB) der Schweiz Artikel 261
Internationale Übereinkommen
Die Rassismusstrafnorm wurde eingeführt, damit die Schweiz dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung von 1965 beitreten konnte. Die Schweizer Stimmenden nahm die Strafnorm am 25. September 1994 mit 54,7% in einer Referendumsabstimmung an. Das Internationale Übereinkommen trat drei Monate später in Kraft.
Die Schweiz unterzeichnete weitere internationale Übereinkommen:
Artikel 2 Abs. 2 Uno-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UNO-Pakt I)
Artikel 2 Abs. 1 Uno-Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II)
Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten
ILO-Übereinkommen 111: Übereinkommen über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, 1958 (In Kraft getreten für die Schweiz am 13. Juli 1962)
Opferhilfe
Das Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG) regelt die Betreuung von Opfern von Straftaten wie Überfällen, körperlicher Gewalt und Drohungen. Sie haben Anspruch auf psychologische Beratung, finanzielle Soforthilfe und Hilfe bei der Geltendmachung von Entschädigungs- und Genugtuungsansprüchen.
Rechtsprechung
Das Bundesgericht als höchste richterliche Instanz bestimmt durch Leitentscheide, wie Bundes- und Kantonsgesetze ausgelegt werden sollen.
Das Bundesgericht als höchste richterliche Instanz bestimmt durch Leitentscheide, wie Bundes- und Kantonsgesetze ausgelegt werden sollen.
Es hat alle Leitentscheide ab 1954 in einer Datenbank zugänglich gemacht.
Seit dem Jahr 2000 macht das Bundesgericht auch alle anderen Urteile zugänglich .
Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus unterhält eine Datenbank, über die Entscheide aller Instanzen, die auf der Rassismus-Strafnorm (Art. 261bis StgB) basieren. Diese können nach einer Vielzahl von Kriterien abgerufen werden.
Drei wichtige Entscheide des Bundesgerichtes zur Rassismus-Strafnorm
Holocaust-Leugner*innen wollten Prozesse nutzen, um ihre Vorstellungen bekannt zu machen. Das Bundesgericht verunmöglichte dies, indem er in einem Ehrverletzungsprozess die Offenkundigkeit des Holocaust festhielt.
Ein Redaktor nennt Mariette Paschoud „braune Mariette“. Sie war Jahre vorher bei der Präsentation eines holocaust-leugnenden Buches aufgetreten. Sie erstattet Strafanzeige wegen Ehrverletzung. Das Bundesgericht lehnt ihre Klage ab.
„Die Forderung nach einem einzigen Beweis für die Existenz von Gaskammern ist indessen angesichts des vorhandenen Beweismaterials derart absurd, dass sich, auch wenn andere Motive theoretisch immer denkbar sind, der Schluss auf eine Sympathie zum nationalsozialistischen Regime in einem Masse aufdrängt, welches für das Gelingen des Wahrheitsbeweises ausreicht, zumal der Schluss aus äusseren Umständen (Handlungen, Äusserungen) auf innere Tatsachen (Absichten, Motive) naturgemäss kein naturwissenschaftlich exakter sein kann.“
Polizei wie Strafverfolgungsbehörden begründeten ihr Nichteingreifen bei rechtsextremistischen Veranstaltungen damit, dass keine Widerhandlung gegen die Strafnorm „Rassendiskriminierung“ vorgelegen sei, da das Tatbestandsmerkmal „Öffentlichkeit“ nicht erfüllt sei, selbst wenn Hunderte von Zuhörer*innen anwesend waren.
Die „Avalongemeinschaft“ veranstaltet Ende April 1999 einen Vortrag in einer Waldhütte. Anwesend sind rund vierzig Personen. Die Polizei kontrolliert die Abreisenden und findet dabei auch das Vortragsmanuskript, das eine Widerhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm belegt. Die Verteidigung plädiert auf nicht-schuldig, da der Vortrag eine private Veranstaltung gewesen sei.
Öffentlich ist alles, was nicht im privaten Rahmen stattfindet. "Es gelten vielmehr inskünftig ungeachtet der Zahl der Adressaten alle Äusserungen und Verhaltensweisen als öffentlich, die nicht im privaten Rahmen erfolgen. Als privat sind Äusserungen anzusehen, die im Familien- und Freundkreis oder sonst in einem durch persönliche Beziehungen oder besonderes Vertrauen geprägten Umfeld erfolgen." Und auch: "Eine gemeinsame Gesinnung der Teilnehmer vermag den öffentlichen Charakter einer Veranstaltung im Sinne von Art. 261bis StGB nicht auszuschliessen, wenn die Gesinnungsgenossen nicht auch persönlich miteinander verbunden sind. Ebenso wenig können Versammlungen schon deshalb als privat gelten, weil eine Einlasskontrolle durchgeführt und der Zugang nur einem besonderen Publikum gestattet wird."
Die „Rassismus-Strafnorm“ ahndet weder das Hakenkreuz noch den Hitlergruss an sich. Sie ahndet jedoch Propaganda-Aktionen wie auch das öffentliche Verbreiten von Ideologien, „die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung dieser Personen oder Personengruppen gerichtet sind“.
Am 8. August 2010 führten Rechtsextreme eine Bundesfeier auf dem Rütli durch. Bei der Wiedergabe des Rütlischwurs (gemäss Friedrich Schiller/Wilhelm Tell) hebt ein Westschweizer Teilnehmer die rechte Hand zum Hitlergruss. Auch andere Rütli-BesucherInnen können den Hitlergruss sehen.
a) Werde der Hitlergruss nicht in der Öffentlichkeit, sondern im privaten Rahmen verwendet, sei er nicht strafbar, weil das Merkmal der Öffentlichkeit fehlt.
b) Und die Verwendung des Hitlergrusses in der Öffentlichkeit unter Gesinnungsgenossen falle nicht unter die Strafnorm, da das Erfordernis der werbenden Beeinflussung und damit das Merkmal des "Verbreitens" nicht gegeben sei.
Der "Hitlergruss" in der Öffentlichkeit erfülle den Tatbestand, nur unter der „Voraussetzung, dass dadurch Dritte für die damit gekennzeichnete rassendiskriminierende Ideologie werbend beeinflusst werden sollen.“
Mit einer ähnlichen Argumentation hatte bereits Jahre vorher das Solothurner Obergericht einen Rechtsextremen verurteilt, der am 1. August 2005 mit Gleichgesinnten durch Brunnen SZ zum Bahnhof lief und mehrmals die Hand zum Hitlergruss hob.
Das Gericht befand:
Im vorliegenden Fall geschah (das Zeigen des Hitlergrusses) wohl in einer marschierenden Gruppe Gleichgesinnter, jedoch verfolgten den Marsch nachgewiesenermassen mehrere Passanten und Journalisten, womit der Marsch öffentlich war. Es ist offensichtlich, dass die Marschierenden den Zuschauern ihre Meinung dargelegt und für ihre Gesinnung warben. Die skandierten Parolen und Gesten wurden damit nicht nur unter den Marschierenden ausgetauscht, sondern waren an die Zuschauer - also an die Öffentlichkeit - gerichtet.
Das Obergericht schliesst zudem aus dem Umstand, dass die Parolen und Gesten an einem Nationalfeiertag in der Öffentlichkeit präsentiert worden waren, auf ein werbendes Verbreiten des ideologischen Hintergrunds des Beschuldigten. Der Beschuldigte hat somit vorsätzlich gehandelt und hat sich der Rassendiskriminierung schuldig gemacht.